Haushaltsrede Doppelhaushalt 2021/22

Das ist die Haushaltsrede, die ich ursprünglich halten wollte. Dann kam die Bitte des OB, eine Redezeit von fünf Minuten nicht zu überschreiten, der ich nachgekommen bin. Leider haben sich die anderen, bis auf die Linke, nicht daran gehalten. Deshalb stelle ich nun die ursprünglich geplante Rede auf unsere Homepage.
Frohe Ostern und bleiben Sie gesund!

Haushalt 2021/22 – Ein Haushalt mit Risiken
Den Dankesworten meiner Vorredner an alle, die sich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie für die Allgemeinheit einsetzen, schließe ich mich an. Ein besonderer Dank den Mitarbeitenden der Kämmerei, die die vorhandenen Fragen weitgehend erschöpfend beantwortet haben.
Virtuelle Haushaltsberatungen eines Zahlenwerks, das viele Risiken enthält.
•    Bekommen wir die Genehmigung der Aufsichtsbehörde?
•    Werden die Einnahme-Ansätze Gewerbesteuer, Einkommensteuer erreicht?
•    Welche geplanten Investitionen werden wirklich in Angriff genommen und umgesetzt?
•    Kommt ein weiterer Lockdown mit Auswirkungen auf Industrie, Handel und Gewerbe?
Das sind nur vier Fragen, die den Haushalt ebenfalls in Frage stellen.
Deshalb war und ist es richtig, schon jetzt einen Nachtragshaushalt ins Visier zu nehmen, mit dem dann Ende des Jahres 2021 nachgesteuert werden kann.

Aus der Presse konnten wir entnehmen, dass der Haushalt 21/22 deutlich die Handschrift der SPD tragen würde. Ein Defizit im Ergebnishaushalt von über 7 Millionen in diesem Jahr und von über 5 Millionen im kommenden Jahr ist also ein Aushängeschild für die Sozialdemokraten, sicher nicht, oder?
Und Kreditaufnahmen in Höhe von über 10 Millionen 2021 und über 14 Millionen in 2022 sind auch bemerkenswert, wobei natürlich die Sache Bubenstück mit 4 Millionen gesondert betrachtet werden muss.

Aber um das klarzustellen: die finanziellen Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung für die Schulen und die Verwaltung, der Bau von zusätzlichen Kindertagesstätten, die Investitionen in die Volkshochschule, das Stadtteilzentrum und das Familienzentrum in Bingerbrück, die Mobilitätsstationen und vieles mehr wurde und wird auch von den Freien Demokraten mitgetragen.
Ein Dissens besteht vor allem im Bereich Stadtwerke:
Wir werden kritisiert, dass wir bereit sind, das Angebot des städtischen ÖPNV etwas einzuschränken, um hier von dem horrenden Defizit von über 2 Millionen Betriebsverlust herunter zu kommen. Die SPD lehnt eine Erhöhung des Wasserpreises auf 2,19 Euro je cbm ab, weil dies in ihren Augen unsozial ist. Mit der Erhöhung hätte man die volle Konzessionsabgabe in Höhe von 280.000 Euro erwirtschaften können, was wiederum dem städtischen Haushalt zugute gekommen wäre. Eine Erhöhung um 0,21 Euro pro cbm verteuert den Durchschnittsverbrauch einer vierköpfigen Familien um 31,50 Euro pro Jahr. Das sind gerade einmal 2,63 Euro pro Monat. Pro Kopf also 86 Cent. Und das soll unsozial sein? Aus unserer Sicht ist es genauso unsozial, mit hohen Schulden die Bürger in der Zukunft zu belasten nach dem Motto „jetzt schöne Geschenke, nach uns die Sintflut.“

Von den Grünen bekommen wir zu hören, dass der ÖPNV einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz darstellt. Und natürlich das immerwährende Henne-Ei-Problem: schafft ein höheres Angebot an ÖPNV-Leistungen eine höhere Nachfrage oder sollte das Angebot auf die vorhandene Nachfrage zugeschnitten sein?
Wo aber bleiben die Vorschläge von SPD, Grünen und Linken, und auch der CDU, wie in Zukunft der Haushalt ausgeglichen werden soll. Steuererhöhungen wären das falsche Signal. Und was würde denn mehr eingenommen?
Der Kämmerer rechnet für 2021 mit 17 Millionen bei einem Hebesatz von 390 Punkten. Würden wir auf 450 Punkte gehen, würde die Gewerbesteuer ceteris paribus, also wenn sich dadurch keine negativen Auswirkungen ergäben, um 2,6 Millionen auf 19,6 Millionen Euro steigen.
Die Grundsteuer B ist mit 4,5 Millionen bei einem Hebesatz von 450 Punkten angesetzt. Bei einer Erhöhung auf 500 Punkte wären das 500.000,00 Euro mehr. Bei der Grundsteuer steht zudem spätestens zum 01.01.2025 die geänderte Gesetzeslage im Raum, die zu einer völlig neuen Berechnung führen wird. Wie sich das auf die Gesamteinnahmesumme auswirken wird, bleibt abzuwarten
Beide Erhöhungen zusammen ergäben somit 3,1 Millionen.
Zur Erinnerung: Das Defizit 2021 beläuft sich auf über 7 Millionen.
Also frage ich: wo soll das Geld herkommen, um den Haushaltsausgleich zu gewährleisten?
Und wenn dann noch, was ja durchaus zu befürchten ist, durch die Möglichkeit von Verlustrückträgen aufgrund der Coronapandemie die Ergebnisse des Jahres 2019 reduziert und Rückzahlungen fällig werden, was dann?
Neben möglichen Einnahmeerhöhungen sollten somit die Einsparmöglichkeiten verstärkt in den Blick genommen werden.
Aber viele Stellschrauben gibt es hier auch nicht. Die Aufgaben, die den Kommunen von Land und Bund übertragen werden, führen zu einer exorbitanten Vermehrung der Stellen. Stichwort Kita-Gesetz. Konnexitätsprinzip: Fehlanzeige!
Der Ausbau der EDV, also die Digitalisierung, erfordert mehr Stellen. Soziale Errungenschaften wie Elternzeit, Bildungsurlaub, Personalvertretung, Kinderbetreuung usw. wirken sich auf den Personalbestand aus. Und auch die Investitionen in städtische Gebäude wie Bibliothek, Schulen, Verwaltung oder auch Grünanlagen, Sporthallen und Schwimmbad usw. machen sich im Ergebnishaushalt durch höhere Unterhaltungsaufwendungen und Abschreibungen bemerkbar.
Wo also sparen? Die Aufsichtsbehörde würde hier sicher auf die freiwilligen Leistungen verweisen. Nach Aussage des Kämmerers sind das in Bingen ca. 1,2 Millionen. Und wer von uns hat den Mut, die Sportförderung, die Förderung der kulturtreibenden Vereine oder der VHS in Frage zu stellen? Ob der Haushalt genehmigt wird, steht ebenfalls in den Sternen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen. Das sind die Fragen, die die Freien Demokraten umtreiben. Und ja, Königswege haben wir auch nicht. Aber wir sollten mehr über diese Fragen nachdenken. Ich habe dem Kämmerer einen interessanten Artikel über die Stadt Monheim geschickt. Dort wurde die Gewerbesteuer von 450 Punkten Hebesatz auf 250 Punkte gesenkt mit der Folge, dass sich innerhalb kurzer Zeit die Einnahmen aus der Gewerbesteuer von 20 Millionen auf sage und schreibe 250 Millionen erhöht hat. Monheim hat aber auch seitdem einen Ableger der Bayer AG gewinnen können, der allein zig Millionen in die Kassen dieser Stadt spült. Ingelheim lässt grüßen.
Ob das auf Bingen auch zutreffen würde, vermag ich nicht zu sagen, aber erstaunlich ist es schon und man sollte mal darüber nachdenken.
In Anbetracht dessen, dass es Ende des Jahres einen Nachtragshaushalt geben wird, stimmen wir dem Haushalt und allen Anlagen zu.