„Der Stadtrat ist zerstritten“
FDP-Fraktionsvorsitzender Peter Eich vermisst Verlässlichkeit bei politischen Absprachen
Von Erich Michael Lang
BINGEN. Die FDP ist noch ein bisschen in Trauer. „Es ist jetzt nicht mehr so schön. Ich bedaure noch immer die Aufkündigung der Ampelkoalition durch die SPD“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Peter Eich. Bis zu dem Tag des Bruches hätten SPD, Grüne und FDP gut zusammengearbeitet. „Alle haben sich an Absprachen gehalten“, so Eich. Nur leider dann in der wichtigsten Schicksalsstunde der Koalition nicht. In geheimer Abstimmung scherten sechs Koalitionäre aus und ließen so die Wahl von Sebastian Hamann (SPD) zum Bürgermeister scheitern. Damit war dann zumindest aus Sicht der SPD auch das Schicksal der Ampel besiegelt.
„Nun ist der Stadtrat zerstritten“, analysiert Eich. Faktisch gebe es eine rot-rot-grüne Mehrheit, ob dies aber nur punktuell bei bestimmten Themen der Fall sei oder ob sich daraus eine neue Koalition entwickele, sei gegenwärtig noch völlig offen. „Die Linke jedenfalls steht bestimmt auf der Seite der SPD.“
Bis die Frage nach einer stabilen Mehrheit im Rat beantwortet ist, sei es wichtig für eine gute Zusammenarbeit, dass die Fraktionen sich an Absprachen hielten. Das sei nun gleich mal gescheitert, als die CDU den Vorstoß der FDP zu einer Wohnungsbaugesellschaft dann doch nicht mitgetragen habe, obwohl im Vorfeld anderes abgesprochen gewesen sei. Verbunden sieht sich die FDP mit der anderen, dreiköpfig besetzten Stadtratsfraktion: der FWG. Hier gebe es thematisch viel Einigkeit, ob Verschuldung, ÖPNV oder die Netzgesellschaft. Also vorerst „wechselnde Mehrheiten“ im Stadtrat? Eich setzt da ein Fragezeichen. Er unterstreicht, es müsse dann aber auch um Argumente gehen. Deshalb sei es nicht nachvollziehbar, dass die Ratsmehrheit ein Vorkaufsrecht für die Villa Herter betreiben wollte, ohne für den Beschluss das nötige Geld zu haben. Argumenten habe sich die Mehrheit verschlossen. „Ich bin dankbar, dass der Oberbürgermeister diesen Beschluss ausgesetzt hat.“
Die FDP werde weiterhin konsequent darauf achten, dass finanzpolitische Vernunft waltet, gerade weil der städtische Haushalt in eine schwierige Lage geraten sei. Deshalb seien ebenso Forderungen nach einem Kauf des ehemaligen Racke-Geländes für damals rund vier Millionen Euro nicht nachvollziehbar gewesen. „Wir müssen doch fragen, wo das Geld eigentlich herkommen soll“, so Eich. Und genau diese Frage müsse künftig bei allen investiven Forderungen an erster Stelle stehen. „Wir dürfen keine Wolkenkuckucksheime bauen.“ Ein solches Wolkenkuckucksheim wäre nach Eichs Auffassung auch der Bau eines Wohnmobilparks, wie ihn die SPD gefordert hatte.
Einsetzen wollen sich die Freien Demokraten für einen Technologiepark an der TH. „Da müssen wir das Ergebnis der Grundstücksverhandlungen abwarten.“ Ebenso sollte die Ausweisung von Baugebieten vorangetrieben werden. „Aber zu diesem Punkt besteht im Rat auch weitgehende Einigkeit.“ Eine Erweiterung der Gewerbeflächen im Gewerbe- und Industriepark Sponsheim/Grolsheim sei ebenso erforderlich. „Zugleich sollten wir endlich zu Potte kommen mit dem Möbelmarkt. Wenn das scheitert, stünde eine Fläche von 60 000 Quadratmetern für eine andere Nutzung zur Verfügung.“
Für den anstehenden Doppelhaushalt 21/22 sieht Eich wenig Spielraum. Es werde kaum Platz für zusätzliche Wünsche sein, zumal bereits zehn Millionen Euro an Investitionen genehmigt seien. Zugleich müssten auch immer die Folgekosten bedacht werden, die bei Investitionen dann in den kommenden Jahren den Haushalt belasteten. „Deshalb hatten wir uns zum Beispiel dafür ausgesprochen, die alte B 9 nur auf zwei Spuren zu sanieren und künftig auch zu betreiben.“ Umgekehrt sei es für eine Konsolidierung des Haushalts nicht richtig, wenn die 2,5 Millionen Euro Einnahmen aus dem Gewerbepark für die laufende Verwaltung verausgabt werden und nicht für nachhaltige Investitionen.
Als eine „Vision“ bezeichnet Eich den Wunsch der Freidemokraten nach einer neuen Gebietsreform. Die alten VG-Strukturen seien überholt. „Die VG Rhein-Nahe beispielsweise ist nicht lebensfähig.“